Gedanken zur Karwoche

Draußen wird aus der Morgendämmerung der nächste Frühlingsmorgen. Die Vögel singen ihre Melodien in den anbrechenden Tag, die aufgehende Sonne erhellt schon den Horizont, noch bevor wir sie sehen können. Die Blattknospen an den Bäumen sind zum Bersten voll, und überall zeigen
sich die ersten Blüten des Jahres. Sogar die Kirschen blühen schon – jedenfalls der Zweig in unserem Esszimmer …
Und dann, innen drin, in der Gesellschaft, im eigenen Herzen, erleben wir eine ganz andere Stimmung. Eine Mischung aus Ängsten, Sorgen, innerer Unzufriedenheit, ja, auch Ärger macht sich da breit. Kein Silberstreif am Horizont. Keine Blüte, die aufgeht. Zahlen lassen uns erschrecken, Infizierte, Tote, Rezession. Horrorszenarien verdunkeln den Himmel.
Es ist die Woche, an deren Beginn Jesus umjubelt in Jerusalem einzieht, und an deren Ende sich der Himmel verfinstert vor Entsetzen über die Abgründe menschlichen Kalküls und machtgeilen Handelns und die Erde bebt vor Zorn über dem Mord an Unschuldigen …
Wir leben mit diesen krassen Gegensätzen; fast ist es, als lebten wir in zwei oder gar mehr verschiedenen Welten.
Dafür, dass wir daran nicht irre werden, dass die dunklen Erfahrungen uns nicht überschwemmen, dafür ist Jesus diesen Weg gegangen. Katastrophen, Pandemien, Tod oder menschliche Schuld, wie furchtbar sie auch immer sein mögen, werden uns im Schicksal Jesu in aller Brutalität vor Augen geführt. Aber ebenso deutlich zeigt uns Gott, dass er das Leben will. Er überlässt uns nicht dem Dunkel. Die Sonne einer Liebe geht auf. Ja, sie geht auf über einer Welt voller zwiespältiger Erfahrungen. Aber in diese Welt hinein sendet sie ihre wärmenden Strahlen und erfüllt uns mit
Hoffnung, die weit über den 19. April, ja, weit über das Jahr 2020 hinausreicht.
Hoffnung, dass es am Ende gut wird, trotz allem Leid. Das ist Ostern, auch in diesem Jahr.

(Pfr. Heinz Bäßler)